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Gewalt in NÖ hat viele Schauplätze

- Frauen und Kinder sind besonders häufig von Gewalt betroffen, Täter sind meist männlich – und nicht selten handelt es sich um enge Angehörige.
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Weniger Vergewaltigungen, mehr Raubüberfälle – die aktuelle Kriminalstatistik zeigt: Gewalt hat viele Gesichter. In Niederösterreich gibt es zwar einen Rückgang bei der Gesamtzahl der Gewalttaten, doch einzelne Bereiche bereiten weiterhin Sorge.
NÖ. Die Gewaltkriminalität in Niederösterreich hat sich 2024 leicht reduziert. 10.878 angezeigte Fälle bedeuten einen Rückgang von 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch ein genauer Blick zeigt: Manche Formen der Gewalt nehmen ab, andere zu. Vor allem Raubüberfälle im öffentlichen Raum und Gewalt gegen Einsatzkräfte werfen Fragen zur Sicherheit im Alltag auf. Zudem bleibt Gewalt in der Privatsphäre eine zentrale Herausforderung – mit klaren geschlechtsspezifischen Mustern.
Gewalt in Beziehungen bleibt weitverbreitet
Knapp 3.000 Anzeigen wurden 2024 wegen Gewalt in der Privatsphäre erstattet. Das bedeutet einen leichten Rückgang, doch die Dimension bleibt hoch. Alexander Grohs von der Organisation NeuStart schildert, dass besonders Frauen und Kinder betroffen sind. In diesen Fällen gehe es oft nicht nur um körperliche, sondern auch um psychische und sexualisierte Gewalt. Gerade hier sei ein vernetztes Vorgehen mit Opferschutzeinrichtungen entscheidend.

- Nicht jede Anzeige endet mit einer Verurteilung – aber jede Statistik zeigt, wie groß das Problem bleibt.
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In fast zwei Drittel aller angezeigten Gewalttaten bestand ein persönliches Verhältnis zwischen Täterin beziehungsweise Täter und Opfer. 7.913 solcher Beziehungen wurden im Jahr 2024 österreichweit dokumentiert. Das verdeutlicht: Gewalt passiert oft nicht im Verborgenen oder durch Unbekannte, sondern innerhalb bestehender sozialer Verbindungen.
Weniger Vergewaltigungen
Die Zahl der Vergewaltigungsanzeigen sank deutlich – um ganze 11,7 Prozent. Dennoch wurden 166 Anzeigen erstattet. Wie immer in der Kriminalstatistik gilt auch hier: Die Dunkelziffer dürfte höher liegen, denn nicht alle Taten werden angezeigt. Die Polizei und spezialisierte Hilfseinrichtungen versuchen seit Jahren, das Vertrauen betroffener Personen zu stärken, um mehr Anzeigen zu ermöglichen.
In Niederösterreich wurden 2024 insgesamt 14 vollendete Morde verzeichnet. Darunter befanden sich acht weibliche und sechs männliche Opfer. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der getöteten Männer, die der getöteten Frauen sank leicht.
Raubüberfälle nehmen deutlich zu
Besonders deutlich fällt der Anstieg bei Raubdelikten aus: 259 Anzeigen in Niederösterreich bedeuten ein Plus von 18,8 Prozent. Mehr als die Hälfte dieser Taten ereignete sich an öffentlichen Orten wie Straßen, Bahnhöfen oder Veranstaltungsorten. Damit wird der öffentliche Raum wieder stärker zum Schauplatz von Gewalt. Das Innenministerium rät in seinen Präventionstipps zu erhöhter Aufmerksamkeit und sicherem Verhalten, etwa durch die Wahl gut beleuchteter Wege oder das gezielte Ansprechen von Passantinnen und Passanten im Ernstfall.

- Körperliche Gewalt richtet sich auch gegen die Polizei. Alkoholkonsum steht damit oftmals in Zusammenhang. (Symbolbild)
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Auch die Zahl der Delikte gegen Polizistinnen und Polizisten sowie andere Beamtinnen und Beamten ist weiter gestiegen. 2024 wurden in Niederösterreich 381 solcher Vorfälle dokumentiert – ein Plus von mehr als zehn Prozent. Diese Form der Gewalt steht häufig im Zusammenhang mit Alkoholkonsum, Aggressionsproblemen oder einer fehlenden Akzeptanz staatlicher Autorität.
Ein kleiner Lichtblick: Straftaten mit Stichwaffen sind rückläufig. 2024 wurden 273 Fälle gezählt, im Vorjahr waren es noch 284. Dennoch bleibt das Thema relevant – auch weil viele dieser Delikte im privaten Umfeld passieren und schnell eskalieren können.
Prävention durch Bewährungshilfe und Beratung
Alexander Grohs, Leiter der Organisation Neustart in Niederösterreich und dem Burgenland, betont, dass Gewaltprävention nicht erst bei der Strafe beginnt, sondern bereits mit der Arbeit mit straffällig gewordenen Menschen. Neustart bietet in Niederösterreich Bewährungshilfe, Anti-Gewalt-Trainings und Tatausgleich an. Im Jahr 2024 wurden rund 2.900 Personen in Bewährungshilfe betreut, der Tatausgleich kam bei etwa 1.300 Fällen zum Einsatz.

- Ein starkes Netzwerk gegen Gewalt: Neustart arbeitet eng mit Gerichten, Sozialdiensten und dem Opferschutz zusammen.
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Viele dieser Menschen nehmen das Angebot freiwillig und mit echtem Veränderungswillen an, wie Grohs erklärt. Besonders in Fällen von situativer Gewalt, etwa unter Jugendlichen oder im öffentlichen Raum, könnten begleitende Trainingsprogramme helfen, Rückfälle zu vermeiden. Auch bei häuslicher Gewalt spielt die enge Zusammenarbeit mit dem Opferschutz eine zentrale Rolle. Neustart unterstützt Täterinnen und Täter dabei, ihre Verantwortung anzuerkennen, gewaltfreie Handlungsstrategien zu entwickeln und langfristig stabil zu bleiben – mit dem Ziel, weitere Straftaten zu verhindern.
Was über Jugendliche bekannt ist
Laut Alexander Grohs zeigt sich bei Jugendlichen kein flächendeckender Anstieg von Gewalt. Stattdessen seien es einzelne Intensivtäter, die auffallen und für viele Delikte verantwortlich sind. Die Anzeigenbereitschaft habe zugenommen, gleichzeitig bleibe die Zahl der Verurteilungen stabil oder sinke sogar leicht. Das zeigt: Die Polizei kläre mehr auf, ohne dass die Jugend insgesamt gewalttätiger werde.
Digitale Gewalt nimmt zu
Zunehmend verlagern sich Gewaltdelikte auch ins Netz. Drohungen, Erpressungen oder psychischer Druck über digitale Kanäle sind Teil der Kriminalstatistik. Die Herausforderungen in diesem Bereich sind komplex, da sie technische Expertise und neue Präventionsmethoden erfordern.
Schutz beginnt bei Aufmerksamkeit
Das Bundeskriminalamt gibt einfache, aber wirksame Tipps zur Prävention. Entscheidend ist es, dem eigenen Gefühl zu vertrauen, Gefahrensituationen früh zu erkennen und bewusst zu handeln. Besonders Frauen wird geraten, Fluchtwege zu kennen, sich nicht ablenken zu lassen und Hilfe aktiv einzufordern. Wer wachsam ist, kann oft rechtzeitig reagieren.
Hier gibt es rund um die Uhr Hilfe
Telefonseelsorge: 142, täglich 0-24 Uhr
Sozialpsychiatrischer Notdienst: 01/31 330, täglich 0-24 Uhr
24-Stunden-Frauennotruf: 01/12 345
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